Herbstliche Zugvogel-Planbeobachtungen am Hamburger Yachthafen in Wedel/PI

Kurzbericht zur Saison 2007

Einleitung

Nach ersten zaghaften Versuchen der planmäßigen Erfassung des herbstlichen Vogelzuges am Elbufer im Westen Hamburgs, die 1992 begannen und sich anfangs eher auf Wasservögel wie Möwen und Seeschwalben bezogen, führten Schlüsselerlebnisse wie der Massenzug tausender Blaumeisen an einzelnen Tagen zu einer in den Folgejahren zunehmenden Beobachtungsintensität und systematischeren Abdeckung der Wegzugperiode zwischen Mitte August und Mitte November.
Bis 1994 fanden die Zählungen an verschiedenen Punkten des Elbufers zwischen Rissen und Wedel statt und wurden durch A. Mitschke allein durchgeführt. Der endgültige Wechsel an dem Hamburger Yachthafen in Wedel, wo V. Hahn bereits in den 1960er Jahren intensive Studien zum Vogelzug und der Leitlinienwirkung der Elbe unternommen hatte, fand 1995 statt, nachdem 1994 hier bereits elf Probezählungen stattgefunden hatten. In den folgenden Jahren wurde das Ziel, zumindest zweimal pro Pentade eine Erfassung des Vogelzuges durchzuführen - auch mit Hilfe der jeweiligen Zivildienstleistenden in der Wedeler Marsch - regelmäßiger erreicht. Aber auch bei diesem intensivierten Zählrhythmus wurde immer deutlicher, dass die Artenzusammensetzung und Zugintensität des Vogelzuggeschehens von Tag zu Tag sehr stark wechseln. Dabei besteht zwar oft eine direkte Abhängigkeit von der Witterung, wobei vor allem die Windrichtung und -stärke eine entscheidende Rolle spielen. Die den Vogelzug steuernden Faktoren sind allerdings so vielfältig, dass eine Prognose und gezielte Auswahl der wichtigsten Zugtage im Vorwege nicht möglich ist. Die Erfahrungen der ersten Beobachtungsjahre hatten gezeigt, dass das Hauptzuggeschehen sich zwischen Mitte September und Anfang November abspielt. Zur Erfassung der häufigen Tagzieher Schafstelze, Baumpieper, Mauersegler und der Schwalben sind außerdem Zählungen in der zweiten Augusthälfte unentbehrlich. Schließlich kann sich starker Vogelzug in Abhängigkeit von der Großwetterlage in einzelnen Jahren auch noch bis Mitte November erstrecken. Für die Hauptzugzeit in den Monaten September und Oktober wurde ab 2001 eine tägliche Besetzung des Zählpunktes angestrebt und mit ganz wenigen Ausnahmen auch realisiert. Dazu war der Aufbau eines Zählerteams erforderlich. Mit der nun gewährleisteten täglichen Zählung vom 1.9. bis mindestens 31.10. wurden inzwischen eine bessere jahrweise Vergleichbarkeit und eine vollständigere Erfassung des Herbstzuges erreicht. Auch wenn für viele obligatorische Zugvögel die Stärke des registrierten Durchzugs in einem Jahr vor allem von Zufälligkeiten des Witterungsgeschehens bestimmt wird, lassen sich nun Einflugjahre bei allen Invasionsarten frühzeitig erkennen und auch in ihrem Ausmaß quantitativ bewerten. Alljährlich gelangen interessante, für den Hamburger Raum bisher kaum dokumentierte Einzelbeobachtungen seltenerer Arten oder phänologisch auffällige Meldungen. Für viele Zugvögel stammen die Letztbeobachtungen eines Jahres im Hamburger Raum inzwischen fast immer entweder vom Hamburger Yachthafen oder aus der Beringungsstation Reit, was den Wert systematischer Erfassungen im Vergleich zur Sammlung von Gelegenheitsbeobachtungen unterstreicht. Langfristig sollte die planmäßige Erfassung des herbstlichen Vogelzuges auch zur Beurteilung von Trends bei häufigeren Zugvogelarten geeignet sein. Das Projekt stellt damit einen wichtigen Baustein systematischer avifaunistischer Datensammlung im Hamburger Raum dar und wird im Zusammenspiel mit der Analyse von Wintervogelzählungen sowie des Brutvogelmonitorings zu einer Gesamtbewertung des avifaunistischen Geschehens im Hamburger Raum beitragen.

Abb. 1: Entwicklung des Zählaufwands pro Herbstsaison von 1992 bis 2007

Aktuelle Ergebnisse aus der Saison 2007

Die fünf häufigsten Arten

In der Saison 2007 wurden auf dem Wegzug insgesamt 249.512 Vögel gezählt, die sich auf 134 verschiedene Arten verteilen. Die große Masse der erfassten Individuen entfällt dabei auf weniger sehr häufige Arten (Tab. 1). In den meisten Jahren erreicht die Ringeltaube die höchsten Gesamtzahlen. Auch 2007 wurden 100.769 Ringeltauben und damit 40 % aller erfassten Zugvögel der Saison gezählt. An zweiter Stelle folgte der Buchfink (54.046 Individuen), gefolgt von der Rotdrossel (15.063 Individuen). Stärker als in den meisten anderen Jahren waren an vierter Stelle Rauchschwalbe (13.539 Individuen) und Bergfink (10.475 Individuen) vertreten, während die Wacholderdrossel in der Saison 2007 mit 7.877 Individuen eher schwach vertreten war.
 

Tab. 1: Die fünf häufigsten Arten 2001 bis 2007 (fett hervorgehoben) bei herbstlichen Zugvogel-Planbeobachtungen am Hamburger Yachthafen [*: Gemischte Trupps von Buch- und Bergfinken wurden gemäß der Anteile beider Arten am Saisonbestand aufgeteilt und zu den Art-Beständen einer Saison addiert]

  2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Summe  
Ringeltaube 58.272 48.921 55.381 84.482 138.421 112.575 100.769 598.821  
Buchfink * 58.579 29.400 20.087 33.020 57.115 113.101 54.046 365.348  
Rotdrossel  24.640  12.724  4.458  7.343  21.397  24.791  15.063  110.416  
Wacholderdrossel  22.906  5.385  3.250  16.479  16.905  8.938  7.877  81.740  
Rauchschwalbe  8.455  8.572  8.000  9.040  8.300  13.508  13.539  69.414  
Bergfink *  23.046  5.911  1.558  3.732  14.316  9.798  10.475  68.836  
Blässgans  4.249  11.369  4.537  7.897  8.809  13.313  5.679  55.853  
                   
                   

 

 Einflüge

Die planmäßigen Beobachtungen des herbstlichen Vogelzuges spielen für die Erfassung der Stärke und Phänologie von Einflügen unregelmäßig als Zugvögel auftretender Arten eine herausragende Rolle. Am Beobachtungspunkt ergeben sich insbesondere für Waldvogelarten stärkere Konzentrationseffekte, weil diese durch Gehölzstrukturen an der Mündung der Wedeler Au sowie auf der Elbinsel Hanskalbsand eine Möglichkeit finden, die zudem vergleichsweise schmale und durch die Elbinsel Hanskalbsand als „Trittstein“ unterbrochene Wasserfläche der Elbe zu queren. Besonders zur Erfassung des jahrweise stark wechselnden Durchzugs verschiedener Meisenarten eignet sich die Stelle wie wenige andere in Norddeutschland.

Im Herbst 2007 zeigte sich vor allem bei Erlenzeisig (6.608 Individuen), Blaumeise (5.841 Individuen) und Kohlmeise (2.793 Individuen) ein stärkerer Einflug. Auch das Auftreten von Schwanzmeise, Wintergoldhähnchen und Gimpel fiel überdurchschnittlich aus (Tab. 2). Für Erlenzeisig und Blaumeise wurden neue Saisonmaxima festgestellt.
 

Tab. 2: Arten mit jahrweise stark wechselndem, teilweise invasionsartigem Auftreten, Saisonsummen der herbstlichen Planbeobachtungen am Hamburger Yachthafen (fett hervorgehoben: Einflugjahre)

 

  2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Summe  
Erlenzeisig 3.026 2.551 4.279 2.279 4.245 2.827 6.608 25.815  
Blaumeise 503 1.182 1.175 1.855 5.115 1.235 5.841 16.906  
Kohlmeise 1.025 526 3.322 784 2.794 513 2.793 11.757  
Tannenmeise 765 112 820 170 495 17 200 2.579  
Birkenzeisig 220 62 184 96 953 153 59 1.727  
Schwanzmeise 221 77 105 91 405 79 206 1.184  
Eichelhäher 33 19 90 833 122 47 7 1.151  
Wintergoldhähnchen 177 22 78 93 345 92 184 991  
Fichtenkreuzschnabel 123 319 5 259 134 30 38 908  
Gimpel 63 45 36 211 232 81 183 851  
Kernbeißer 130 60 67 36 137 86 96 612  
Buntspecht 51 19 46 20 55 15 31 237  

 

 

Besonderheiten

Neben dem erneuten Massenzug bei der Ringeltaube, einem neuen Saisonrekord für den Durchzug der Rauchschwalbe und Einflügen von Erlenzeisig, Blau- und Kohlmeise bot das Zuggeschehen im Herbst 2007 auch wieder spannende Einzelbeobachtungen, von denen einige im Folgenden aufgeführt seien.

 

Trauerente    06.09.2007    7 Ind.    dz. nach West, nicht alljährlich.
Sumpfohreule    30.09.2007    1 Ind.    hoch nach Südost; Erstbeobachtung
Schwarzspecht    04.09.2007    1 Ind.    dz. nach Süd,
Schwarzspecht    19.10.2007    1 Ind.    dz. nach Süd; Zugbeobachtungen gelangen nicht alljährlich
Rotkehlpieper    05.09.2007 30.09.2007 13.10.2007    je 1 Ind.     je 1 Ind. dz, in den letzten Jahren alljährlich
Braunkehlchen    30.09.2007    1 Ind.    versucht recht hoch die Elbe zu queren. Erstbeobachtung am Hamburger Yachthafen, obligatorischer Nachtzieher.
Ringdrossel    24.09.2007 07.10.2007 18.10.2007       je 1 Ind.    dz., nicht alljährlich beobachtet
Bartmeise    04.10.2007    4 Ind.     elbuferparallel mit Zugversuchen; nicht alljährlich
Bartmeise    31.10.2007    2 Ind.    dz. nach Südost
Bartmeise    10.11.2007    1 Ind.    versucht Elbe zu queren, landet kurzzeitig im Staudenknöterich auf der Mole mit aufgeregten Rufen
Raubwürger    07.10.2007    3 Ind.    gemeinsam aus Pappelwäldchen aufsteigend und über die Elbe ziehend; bisher gab es nur Einzelvögel.
Raubwürger    09.10.2007    1 Ind.    dz. nach Süd
Pirol    16.10.2007    1 Ind.    aus Pappelwäldchen abfliegend über die Elbe; Zweite Beobachtung hier, späteste Meldung aus dem Hamburger Raum überhaupt, ansonsten Nachtzieher.
Ortolan    05.09.2007 29.09.2007 01.10.2007    je 1 Ind.    dz., nach Einzeldaten 2003 und 2004 erst der dritte bis fünfte bei den Planbeobachtungen nachgewiesene Ortolan.
Spornammer    10.10.2007 15.10.2007 22.10.2007 28.10.2007    je 1 Ind.    davor bisher seit 1992 nur drei Nachweise
Ausblick

Die herbstlichen Planbeobachtungen des sichtbaren Vogelzuges am Hamburger Yachthafen werden auch in den nächsten Jahren fortgesetzt werden. Sie sind eingebettet in ein umfassenderes Vogelzugprojekt in Schleswig-Holstein und hier abgesehen von Fehmarn die einzige Zählstelle mit kontinuierlicher, täglicher Besetzung. Durch die tagesaktuelle Einstellung der Ergebnisse auf der niederländischen Webseite „trektellen.nl“ stellen sie auch ein überregional bedeutsames und wahrgenommenes, wichtiges Bindeglied zwischen den Zugdaten aus Falsterbo und den zahlreichen Zählstellen in den Niederlanden und Belgien dar.
Eine umfassende Auswertung der Daten steht noch aus. Dazu gehört eine ausführliche Darstellung der Zugphänologie und eine Interpretation der jahrweisen Schwankungen in den Zugstärken unter Berücksichtigung der Wetterlage und der Zählergebnisse an anderen Stellen (vgl. Beispiel in Abb. 2).

 

 Abb. 2: Zugphänologie beim Buchfink am Hamburger Yachthafen: Der Zughöhepunkt 2007 lag fast zwei Wochen früher als im Schnitt der Jahre 2001 bis 2007.

 

In der Saison 2007 nahmen D. Bentzien, A. Dien, J. Dien, J. Hartmann, A. Klotz, B. Kondziella, A. Mitschke, P. Schleef, S. Seyfert, M. Sommerfeld und Christian Wegst an den Zählungen teil. Den größten Teil der Zählungen übernahmen Jens Hartmann (32 Zählungen) und Alexander Mitschke (24 Zählungen). Allen Beobachtern, die uns auch in diesem Jahr bei der lückenlosen Besetzung des Zählpunktes Hamburger Yachthafen geholfen haben, danken wir herzlich.


Alexander Mitschke, 27.11.2007

 

Die Daten der Zugplanbeobachtung am Hamburger Yachthafen sind auf der niederländischen Webseseite trektellen.nl zu finden.  
http://www.trektellen.nl