Schönes Wetter bedeutet für die Beobachtung des Vogelzuges meist keine günstige Voraussetzung, weil bei wolkenlosem Himmel und schwachem Wind ein Großteil des Geschehens insbesondere bei den Kleinvögeln weit oberhalb der Sichtbarkeitsgrenze verläuft. Im September 2015 betraf das im Rahmen der Planbeobachtungen des Vogelzuges am Hamburger Yachthafen/PI insbesondere Rauchschwalbe und gegen Ende des Monats Buchfinken, zwei "Massenarten", deren dokumentierter Durchzug bisher hinter den Erwartungen zurückblieb.

Allerdings erwiesen sich der 20.09. für die Rauchschwalbe (2.044 Individuen Hamburger Yachthafen/PI; 1.000 Individuen Ottensen/HH) sowie der 24.09. für den Buchfinken (3.635 Individuen Hamburger Yachthafen/PI) als bedeutsame Zugtage. Bereits Anfang des Monats kam es bei Langstreckenziehern wie der Schafstelze (04.09. 104 Individuen nach S, Hamburger Yachthafen/PI) zu letzten Zugwellen. Am 07.09. lebte dann kurzzeitig der Wasservogelzug auf, mit 81 Spießenten sowie 219 Kormoranen, die an der Unterelbe vor dem Hamburger Yachthafen/PI gen Westen bzw. Südwesten zogen, während am gleichen Tag über der Wedeler Marsch/PI immerhin vier Fischadler auf dem Durchzug beobachtet werden konnten. Eine bemerkenswerte Beobachtung gelang über der Elbe in Höhe der Mündung der Wedeler Au/PI auch am 16.09., als ein normalerweise nachts ziehender Kuckuck mitten über dem Fluss durch einen Baumfalken belästigt wurde und daher seine Elbquerung abbrechen musste. 

Erst in der letzten Septemberwoche lebte der Kleinvogelzug spürbar auf: Erwähnenswert sind u.a. am 24.09. der Durchzug von 127 Wiesenpiepern und 511 Erlenzeisigen und am 25.09. der Nachweis der ersten vier Bergfinken des Herbstes sowie 242 Heckenbraunellen und 115 Bluthänflinge, allesamt im Rahmen der Zugplanbeobachtungen am Hamburger Yachthafen/PI. Zwei Tage später am 27.09. fiel dann erstmals stärkerer Kranichzug auf, wobei an diesem Tag u.a. 1.100 und am Folgetag nochmals 1.700 Vögel über Wohldorf/RZ durchzogen. Besonderheiten stellten auch sieben durchziehende Türkentauben und 2 die Elbe querende Kleiber jeweils am 27.09. am Hamburger Yachthafen/PI dar. Schließlich setzte am 28.09. auch erstmals spürbar der Durchzug nordosteuropäischer Meisen ein, als am Nordufer der Elbe bei Wedel/PI 200 Blaumeisen und 15 Tannenmeisen gezählt werden konnten.

Vogelzug über der Stadt

Auch wenn sich die Konzentrationspunkte des Vogelzuges im Hamburger Raum für die meisten Arten außerhalb des dicht bebauten Teils der Stadt befinden, gelingen während der Wegzugperiode auch mitten im Häusermeer hier sehr ungewöhnliche Beobachtungen. So zogen am 19.09. sowohl Rohrweihe als auch Rotmilan mitten über die City im Bereich des Bahnhofs Dammtor/HH. Und regelmäßiges "Aus dem Fenster gucken" in Ottensen/HH erbrachte u.a. auch hier einen durchziehenden Rotmilan (27.09.), und - noch ungewöhnlicher - am 01.09. einen über die Stadt fliegenden Kampfläufer als "Belohnung". Schließlich gehört auch die Uferschwalbe, die am 04.09. über der Außenalster gesichtet wurde, nicht unbedingt zu den regelmäßig in der Stadt anzutreffenden Arten!

Abzug und Ankunft

Für viele Langstreckenzieher stammen die letzten Beobachtungen des Jahres aus diesem Monat. So wurden Knäkenten mit bemerkenswerter Truppstärke von 12 Vögeln am 03.09. sowie einer vorerst letzten Beobachtung von zwei Vögeln am 27.09. aus der Wedeler Marsch/PI gemeldet. Noch am 28.09. trieb sich ein Wespenbussard im Schnaakenmoor/HH herum. Uferschnepfen (02.09. Wedeler Marsch/PI) und Schwarzkopfmöwen (27.09. Hachedesand/WL) sind im September im Hamburger Raum ebenfalls nur noch ganz vereinzelt zu erwarten. Noch am 14.09. zogen elf Mauersegler über dem Hamburger Yachthafen/PI gen Süden, die bis jetzt letzte Beobachtung dieser Art aus dem Jahr 2015 stammt vom 21.09. aus der Wedeler Marsch/PI. Letztbeobachtungen stellen auch die Meldungen von Neuntöter (27.09. Breedenmoor/PI), Teichrohrsänger (23.09. Wedeler Marsch/PI), Gartengrasmücke (16.09. Jenfelder Moor/HH), Klappergrasmücke (28.09. Hamburger Yachthafen/PI), Grauschnäpper (26.09. Wedeler Marsch/PI), Gartenrotschwanz (23.09. Kleientnahme Krümse/WL) sowie Schafstelze (27.09. Wedeler Marsch/PI) dar.

Auch die ersten Wintergäste treffen gegen Ende des Monats bei uns ein. Auffallend waren dabei bereits einige Nachweise durchziehender Rotdrosseln, u.a. mit 25 Vögeln am18.09. über Langenhorn eine für diese Truppstärke bemerkenswert frühe Beobachtung.

Bemerkenswerte Rastbestände

Wie in den Vorjahren spielt das Himmelmoor/PI nordwestlich von Hamburg in den Herbstmonaten eine herausragende Rolle als Schlafplatz der Kanadagans. Am 07.09. wurden hier 600 Vögel festgestellt, das bisherige Maximum aus diesem Gebiet stammt aus dem September 2013 und lag bei 697 Vögeln. Derweil begann sich Ende des Monats in der Wedeler Marsch/PI langsam der herbstliche Rastbestand der Weißwangengans aufzubauen (28.09. 400 Individuen). Im September noch deutlich häufiger als die Weißwangengans ist die Graugans, deren maximaler Bestand im September 2015 für die Wedeler Marsch/PI mit 1.750 Individuen dokumentiert ist.

Die Süßwasserwatten der Unterelbe bieten in den Herbstmonaten Zigtausenden von Wasservögeln Nahrung und Rastmöglichkeiten. Als herausragend in diesem Zusammenhang erwies sich einmal mehr das Mühlenberger Loch/HH, wo u.a. bis zu 1.619 Brandgänse, 242 Schnatterenten, 8.870 Krickenten, 1.757 Stockenten und 340 Löffelenten gezählt werden konnten.

Unmittelbar benachbart befinden sich die beiden neuen Wattgebiete auf dem Hahnöfersand/STD, die Anfang der 2000er Jahre als Ausgleich für die Teilverfüllung des Mühlenberger Lochs geschaffen worden sind. Diese neuen Lebensräume erhöhen den Wert der Süßwasserwatten am Südufer der Elbe beidseits der Hamburger Landesgrenze und boten im September 2015 u.a. bis zu 286 Schnatterenten und 6.770 Krickenten Rastmöglichkeiten.

Abseits der Lebensräume an der Unterelbe kommt im aquatischen Bereich insbesondere dem Holzhafen/HH sowie für einzelne Arten auch dem Absetzteich auf den Entwässerungsfeldern Moorburg-Mitte besondere Bedeutung als Wasservogel-Rastgebiet zu. So wurden in Moorburg bis zu 140 Schnatterenten und 36 Zwergtaucher gemeldet.

Die Pfeifente ernährt sich im Gegensatz zu den anderen Gründelenten kaum in den Watt- oder Wasserflächen, sondern nutzt ähnlich wie die Gänse Grün- und Ackerland zur Nahrungssuche. Die Maximalzahl von 420 Pfeifenten an der Kleientnahmestelle Krümse/WL steht daher vermutlich im Zusammenhang mit den weiten Agrarflächen der Umgebung, die von der Pfeifente teilweise auch nachts zur Nahrungssuche genutzt werden. Auch der Silberreiher gehört im Hamburger Raum inzwischen zu den regelmäßigen Gastvögeln in der Agrarlandschaft. Für die Winsener Marsch/WL wurden aus dem September maximal 60 Vögel am 14.09. gemeldet.

Auch einige Limikolenarten erreichten im September 2015 bemerkenswerte Rastbestände. Dazu gehört die Bekassine, die mit maximal 150 Vögeln an der Kleientnahmestelle in der Wedeler Marsch/PI angetroffen wurde, sowie der Alpenstrandläufer, für den Mitte des Monats Meldungen von 300 Vögeln im Bereich Auberg/PI sowie 250 Vögeln im Fährmannssander Elbwatt/PI vorliegen, die möglicherweise dieselben Vögel betreffen.

Während im September Seeschwalben nur noch vereinzelt die Wasserflächen der Unterelbe bevölkern, können die Bestände der Zwergmöwe durchaus noch größere Ausmaße annehmen. Aktuell wurde allerdings mit maximal 60 Vögeln am 06.09. auf der Elbe vor dem Hamburger Yachthafen/PI weiterhin nur ein unterdurchschnittliches Auftreten registriert.

Hohe Bestände an Schlafplätzen

Aus dem September 2015 liegen vor allem für die Haseldorfer Marsch/PI eine Reihe interessanter Meldungen zu Schlafplätzen vor. So wurden am 03.09. maximal 77 Nilgänse auf dem Hetlinger Schanzteich/PI gemeldet. Direkt benachbart blieb der Bestand des Kormorans am Schlafplatz mit 200 Vögeln (10.09.) auf erwartbarem Niveau, während sich für den Silberreiher mit 178 Vögeln am 23.09. ein neues September-Maximum einstellte.

Nicht alltägliche Beobachtungen

Am 28.09. zogen zwei Ringelgänse in einem Grauganstrupp entlang der Elbe vor dem Hamburger Yachthafen/PI gen Westen. Abgesehen von einer Brut in den Kiesgruben Bargfeld-Stegen/OD im Jahr 2004 bedeutet die Meldung von elf Rostgänsen am 13.09. in der Wedeler Marsch/PI ein neues Rastmaximum für diese sich in den Niederlanden als Brutvogel immer mehr etablierende Art. Zwei Kolbenenten erfreuten die Beobachter vom 21.09. bis 26.09. an der Kleientnahme Krümse/WL in der Winsener Marsch. Dort wurden am 26.09.auch ein männlicher Hybrid zwischen Reiher- und Tafelente sowie ein Gänsesäger beobachtet. Ungewöhnlich war auch ein Rothalstaucher, der am 13.09. auf der Außenalster/HH gesichtet wurde. Dagegen hielten sich sieben Schwarzhalstaucher am 12.09. auf den Entwässerungsfeldern Moorburg-Mitte auf. Eine Erstbeobachtung im Rahmen der systematischen Zugvogelzählungen seit 1994 stellt die Meldung eines sehr hoch durchziehenden Löfflers am 26.09. dar. Auch ein Schwarzstorch am 02.09. über dem Wolfsbrook/OD dürfte einen Durchzügler betroffen haben. Nur durch Beringung ließ sich die Anwesenheit des Tüpfelsumpfhuhns in der Reit/HH nachweisen. Während Kiebitzregenpfeifer (19./20.09. bis 5 Vögel), Regenbrachvogel (05.09. 1 Individuum) und Steinwälzer (05.09. 2 Individuen) für die Wedeler Marsch/PI fast alljährlich als Gastvögel dokumentiert werden, stellt der Nachweis eines nach SO durchziehenden Mornellregenpfeifers am 12.09. eine herausragende Beobachtung dar. Die Art wurde für den Hamburger Raum zuletzt 2010 gesichtet. Anfang des Monats gelangen mehrere Nachweise der Küstenseeschwalbe, u.a. jeweils zwei Vögel am 06./07.09. auf der Elbe vor dem Hamburger Yachthafen/PI. Einen ungewöhnlichen Nachweis bedeutete auch eine Schleiereule, die am 19.09. die Elbinsel Pagensand/PI besuchte. Bemerkenswerte Wegzugnachweise liegen schließlich auch für Wendehals (07.09. Moorgürtel/HH) sowie Rotkehlpieper (25.09. Holzhafen/HH) vor.

Seltenheiten

Über diese Besonderheiten hinaus fielen im September 2015 auch noch einige Beobachtungen wirklich seltener Arten an: Dazu gehörte zunächst die Steppenweihe, von der sogar zwei Vögel gemeldet wurden. Am 20./21.09. erfreute ein diesjähriger Vogel die Beobachter in der Winsener Marsch/WL, und am 28.09. zog ein adultes Männchen über die Pinnaumündung/PI nach Südwest! Die Winsener Marsch/WL wurde ihrem Ruf als "Vogeleldorado" auch dadurch gerecht, dass sich hier bis zu fünf Rotfußfalken über mehrere Tage aufhielten. Dass am 01.09. auch noch ein Vogel früh morgens ausgerechnet "mitten in der Stadt" über Ottensen/HH nach Süden zog, setzte dem Auftreten dieser in einzelnen Jahren invasionsartig in Deutschland auftretenden Art die Krone auf! Mit der Weißflügel-Seeschwalbe besuchte uns im September 2015 eine weitere Vogelart südosteuropäischer Herkunft: Am 06.09. zog ein diesjähriger Vogel auf der Elbe vor dem Hamburger Yachthafen/PI gen Westen durch. Einen noch weiteren Weg hinter sich hatte ein Gelbbrauen-Laubsänger, dessen Brutgebiet östlich des Urals liegt, und der sich am 26.09. auf die Deponie Georgswerder/HH verirrt hatte. Tendenziell aus der anderen Richtung kam eine Gelbkopf-Schafstelze, die am 02.09. in der Wedeler Marsch/PI gesichtet wurde und eigentlich in Großbritannien beheimatet sein sollte.

Alexander Mitschke